Endoskopische Vollwandresektion heißt das neue, erfolgsversprechende Verfahren im Kampf gegen kleine Magen-Darm-Tumore. Für den Patienten hat es große Vorteile: Operation, Bauchschnitt und Vollnarkose bleiben ihm erspart.
Nur wenige Krankenhäuser in Deutschland führen die Vollwandresektion bereits durch, darunter beispielsweise Ludwigsburg, Tübingen und Ulm. Jetzt kommt das neue Verfahren auch in Geislingen zum Einsatz. „Im August haben wir den ersten Patienten behandelt. Mit Erfolg – eine Krebserkrankung konnte abgewendet werden", sagt Professor Andreas Schuler, geschäftsführender Chefarzt der Gastroenterologie der ALB FILS KLINIKEN und Chefarzt der Inneren Medizin in der Helfenstein Klinik. „Das neue Verfahren schließt eine therapeutische Lücke. Vielen Patienten bleibt damit zukünftig eine aufwändige Operation mit Bauchschnitt und Vollnarkose erspart“, ist Schuler überzeugt. Das Besondere: Der Experte kann auch größere und tieferwachsende Tumore und Polypen mit der neuen Technik sicher und schonend entfernen.
Und so funktioniert die Methode: Auf dem Endoskop für die Magen- oder Darmspiegelung wird ein spezieller Kappenaufsatz befestigt. In diesem befindet sich zum einen eine Greifzange, mit deren Hilfe der betroffene Abschnitt der Darmschleimhaut in die Kappe hineingezogen und fixiert wird. Zum anderen ist über der Kappe eine Titan-Klammer zu finden, die die gesunde Darmschleimhaut nach dem Hereinziehen in den Aufsatz hinter dem Tumor fest verschließt. Erst dann wird die komplette Darmwand samt Polypen mit Hilfe einer Schlinge abgetrennt. Die Klammer verhindert dann eine sogenannte Perforation, eine ungewollte Eröffnung der Darmwand in die Bauchhöhle hinein. Anschließend erfolgt die Untersuchung des Gewebes durch die Pathologie. Ist der Tumor in den ersten beiden Schichten der Darmwand zu finden, kann er mit der Vollwandresektion meist komplett entfernt werden. „Ist er aber bereits tiefer in das Gewebe gewachsen, sind Blut- oder Lymphgefäße der tieferen Wandschichten betroffen, muss gegebenenfalls nachoperiert werden“, erklärt Schuler. Für einen solchen Fall weiß er seine Patienten bei den beiden Chefarztchirurgen der ALB FILS KLINIKEN, Professor Stefan Riedl und Dr. Matthias Hahn, sehr gut aufgehoben.
Je nach Gegebenheiten und Lokalisation im Dickdarm dauert der Eingriff der Vollwandresektion zwischen 60 und 90 Minuten. Wie bei der normalen Darmspiegelung auch, reicht ein Beruhigungsmittel aus. Das Verfahren kommt somit auch für die Patienten in Frage, bei denen eine große Operation und eine Vollnarkose riskant sind. „Da jeder medizinische Eingriff auch Risiken birgt, behalten wir die Patienten noch zwei Tage zur Beobachtung bei uns", erklärt Schuler. Danach kann der Patient in der Regel das Krankenhaus verlassen. Die Titan-Klammer verbleibt, wie andere Klammern nach Operationen auch, für den Patienten unbemerkt in der Darmwand.
Auch bei einer herkömmlichen Darmspiegelung wie im Rahmen der Vorsorge werden Polypen mit Hilfe einer Schlinge während der Untersuchung abgetragen. Interessant ist das neue Verfahren besonders für die Patienten, bei denen der Polyp entweder sehr flach ist und sich mit der Schlinge nicht greifen lässt, mit tiefer liegenden Darmwandschichten verwachsen ist oder wenn er bereits zum sogenannten Frühkrebs übergegangen ist. „Bisher kam der Patient dann um eine größere Operation nicht herum", erklärt der Experte. Mit dem neuartigen System können jetzt auch diese problematischen Polypen für die Patienten schonender entfernt werden. „Diese Methode funktioniert auch für die selteneren und kleineren Tumore der tieferen Magen- und Dünndarmwandschichten, die bisher herkömmlich operiert werden mussten“, weiß Professor Schuler, der mit seinem Oberarzt Dr. Wolfgang Schröder und dem Endoskopie-Team um Claudia Manz diese Methode in speziellen Schulungen am Modell trainiert hat. Somit können die Ärzte der ALB FILS KLINIKEN ausgewählten Patienten eine größere Operation mit Narkose und anschließender Narbenbildung ersparen. „Unsere Patienten sind nach endoskopischer Vollwandresektion gleich nach dem Eingriff beschwerdefrei, mobil und können bereits am ersten Tag nach dem Eingriff wieder mit dem Essen beginnen“, freut sich der Chefarzt.
Das Prinzip der Kappenresektionstechnik ist nicht neu: Professor Andreas Schuler hat bereits 1998 als einer der ersten Ärzte in Deutschland diese aus Japan importierte Methode bei Frühkrebs der Speiseröhre angewandt. „Damals hatten wir aber die endoskopische Klammernahttechnik noch nicht zur Verfügung. Diese bietet unseren Patienten jetzt optimale Sicherheit, da es nicht mehr zu ungewollten Perforationen kommen kann“, berichtet der Spezialist. Manchmal gelänge es auch noch, durch spezielle Präparationstechniken (sog. Submukosadissektion/-resektion) innerhalb der Darmwand, Polypen zu entfernen, bevor die Vollwandresektion zu Einsatz kommt. Diese Methode ist bereits seit Jahren an beiden Standorten der ALB FILS KLINIKEN etabliert und wird auch noch weiterentwickelt.
Hintergrund:
Jedes Jahr erkranken etwa 70.000 Menschen an Darmkrebs. Geschätzt könnte man 65.000 davor bewahren, würden die Früherkennungsmaßnahmen genutzt werden. Damit harmlose Polypen frühzeitig erkannt und entfernt werden können bevor sie mutieren, kommen Früherkennungsmaßnahmen wie der Stuhltest ab 50 und der Darmspiegelung ab 55 eine große Bedeutung zu.
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