„Es besteht absoluter Handlungsbedarf“

Präventionsstrategie gegen den plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand gefordert

Einmal im Jahr kommen die Experten des Notfall- und Rettungswesens Deutschlands nach Bad Boll. Die dortigen „Bad Boller Reanimations- und Notfallgespräche“ haben sich mittlerweile zur Denkfabrik der Notfallmedizin entwickelt. Veranstaltet werden die Gespräche von gleich drei Fachgesellschaften: der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V., dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. sowie dem Deutschen Reanimationsregister.

Die diesjährigen Gespräche Ende Februar (26. +27.02.2025) gingen mit einer Forderung zu Ende: Die Reanimationsexperten fordern für ihre Patienten eine klare Präventionsstrategie gegen den plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand. Den Hintergrund dazu liefern Hochrechnungen von Professor Dr. Matthias Fischer auf Basis des Deutschen Reanimationsregisters – German Resuscitation Registry (GRR) für das Jahr 2023. „In 2023 erlitten rund 140.000 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand. Bei etwas mehr als der Hälfte der Patienten konnte der Notarzt- und Rettungsdienst mit einer Reanimationsbehandlung beginnen, aber nur etwas mehr als zehn Prozent dieser Patienten überlebten letztendlich den Vorfall.“ Neben dem großen menschlichen Leid durch dieses Ereignis, so führte Professor Fischer, Mitinitiator des GRR und Chefarzt der Anästhesiologie am ALB FILS KLINIKUM in Göppingen, weiter aus, betragen die volkswirtschaftlichen Kosten infolge des plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstandes in Deutschland circa 35 Milliarden Euro pro Jahr. Diese entstehen durch hohe Behandlungskosten, aber insbesondere auch durch verlorene Arbeitsjahre und außermarktwirtschaftliche Wertschöpfungsverluste. Für die Experten der Bad Boller Reanimationsgespräche und Professor Fischer sind diese Zahlen viel zu hoch: „Die Zahlen sind dramatisch und machen deutlich, dass hier absoluter Handlungsbedarf besteht.“

Er und seine Mitstreiter fordern daher eine klare Strategie gegen den plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand. „Dazu gehört neben der Akutversorgung, der Rehabilitation und der Nachbetreuung vor allem auch die Prävention“, so Professor Fischer. Diese umfasst den persönlichen Gesundheitscheck, konsequentes Vorbeugen und das Erkennen von Warnzeichen, wie zum Beispiel Brustschmerzen (Angina pectoris) mit und ohne Luftnot, Herzrasen mit Einschränkung der Belastbarkeit, hartnäckiges Herzstolpern, kurze Bewusstlosigkeit oder Schwindelanfälle mit drohender Bewusstlosigkeit. Treten diese Symptome auf, ist dringend eine Ärztin oder ein Arzt zur Abklärung aufzusuchen. Kommt es tatsächlich zum Kreislaufstillstand, so sind die führenden Symptome die gestörte Atmung und die andauernde Bewusstlosigkeit. Jetzt zählt jede Minute: Über die 112 ist die Notfallrettung zu alarmieren und Maßnahmen zur Wiederbelebung sind sofort zu beginnen.

Bei 51 Prozent der Reanimationen in Deutschland hatten Ersthelfer die lebensrettenden Maßnahmen gestartet. „Eine erfreuliche Zahl“, sagt Professor Fischer. Auch im Landkreis Göppingen haben die Ersthelfer immer öfter mit den Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen. Grund hierfür sind umfassende Schulungen der Bevölkerung, nicht nur zur Woche der Wiederbelebung im Herbst, sondern auch in Betrieben und Schulen. „Das muss bereits bei den 10-jährigen Schülern beginnen“, betont Notfallmediziner Fischer. Darüber hinaus wurden in den letzten Jahren die Notfallstrukturen in Göppingen konsequent weiterentwickelt. Beispiele hierfür sind die Telefon-Reanimation, das bewährte „Helfer-vor-Ort-System“, die erweiterte Alarmierung der Rettungsmittel, die Einführung der Ersthelfer-App und das Register für öffentliche Defibrillatoren. Professor Fischer appelliert dennoch mit deutlichen Worten: „Leute, lasst euch zu Ersthelfern ausbilden, gegen den plötzlichen Herztod gibt es nichts Besseres. Jeder kann helfen und dabei etwas falsch zu machen, ist immer noch besser als nichts zu tun.“